Können Überschallflugzeuge schnell und nachhaltig zugleich sein? Ein EU-Projekt arbeitet daran
Mit ihren hohen Geschwindigkeiten und ihrer legendären Vergangenheit haben Überschallflugzeuge die Öffentlichkeit schon lange fasziniert. Doch Bedenken wegen Lärm und Umweltbelastung führten dazu, dass sie aus dem kommerziellen Luftverkehr verschwanden. Nun, da weltweit nach Innovationen in der Luft- und Raumfahrt bezüglich der Rückkehr des Überschalls gesucht wird, stellt das EU-finanzierte Projekt SENECA die Frage: Kann eine neue Generation schnellerer Flugzeuge auch nachhaltig sein?
Lärm, Emissionen und Geschwindigkeit ins Gleichgewicht bringen
Anders als bei konventionellen Flugzeugen arbeiten Überschalltriebwerke mit deutlich kleineren Nebenstromverhältnissen und höheren Strahlgeschwindigkeiten, was zu einem höheren Start- und Landelärm führt. SENECA erstellte detaillierte Flugzeug- und Triebwerkskonzepte sowie realistische Missionsprofile. Diese wurden mit einer Kombination aus analytischen und empirischen Methoden modelliert, um die Lärmemissionen unter verschiedenen Flugbedingungen zu beurteilen. Gleichzeitig kartierte das Team die Emissionen und Kondensstreifen einer hypothetischen Überschallflotte, um die Klimaauswirkungen mithilfe fortgeschrittener Simulationsmodelle zu bewerten. Was war dabei die größte Herausforderung? Einen Mittelweg zu finden. Größere Motordurchmesser reduzieren den Lärm, erhöhen aber den Luftwiderstand. Kleinere Triebwerke erhöhen die Effizienz im Reiseflug, verursachen aber mehr Lärm beim Start. SENECA hat eine variable Düsenkonstruktion – beim Start geöffnet und im Reiseflug geschlossen – als Schlüsselstrategie für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Leistung und Lärm ermittelt. „Aus dem Projekt SENECA ging hervor, wie Überschallflugzeuge dieselben Lärmvorschriften wie konventionelle Flugzeuge erfüllen und gleichzeitig die Effizienz im Reiseflug erhöhen können“, bemerkt Robert Jaron, Projektkoordinator von SENECA.
Warum der Flughafenlärm im Mittelpunkt steht, nicht der Überschallknall
Die öffentliche Debatte über Überschallflüge drehte sich größtenteils um den berüchtigten Überschallknall, doch SENECA konzentrierte sich auf ein anderes Thema: Lärm in der Nähe von Flughäfen. „Der Überschallknall im Reiseflug lässt sich in erster Linie durch eine Anpassung der Zelle verringern, während der Lärm in Flughafennähe vor allem durch eine Anpassung der Triebwerkskonstruktion und des Startverfahrens gemindert werden kann“, sagt Jaron. Es ist davon auszugehen, dass bei der ersten Generation neuer Überschallflugzeuge das Problem des Überschallknalls nicht gelöst sein wird und sie daher über Land ohne Überschall fliegen müssen. Daher liegt der Schwerpunkt der Lärmbelastung auf Start und Landung. SENECA begegnete diesem Problem mit innovativen Startverfahren – wie angepassten Schubprofilen und verzögerten Rotationen – um Störungen in der Nähe von Flughäfen zu minimieren.
Weiterer Nutzen für den Luftverkehr
Obwohl SENECA speziell auf die Lärm- und Emissionsprobleme von Überschallflugzeugen ausgerichtet ist, könnten einige der aus dem Projekt hervorgegangenen Innovationen auch konventionellen Unterschallflugzeugen zugute kommen. „Einige der Technologien, wie z. B. variable Düsen und neuartige Startverfahren, könnten sicherlich auch für den regulären kommerziellen Luftverkehr von Nutzen sein“, so Jaron. Ein verringerter Triebwerkslärms und eine höhere Effizienz im Tiefflugbetrieb sind in jeder Hinsicht von Nutzen. Die Erkenntnisse von SENECA über die Kompromisse zwischen Triebwerkskonstruktion, Lärmpegel und Treibstoffeffizienz bieten zudem nützliche Anhaltspunkte für die künftige allgemeine Flugzeugentwicklung. Das Verständnis dafür, wie diese konkurrierenden Prioritäten in Einklang gebracht werden können, ist nicht nur für die Gestaltung von Überschallflugzeugen, sondern auch für eine gesteigerte Nachhaltigkeit in der gesamten Luftverkehrsindustrie unerlässlich.
Globale Vorschriften für den Überschallflugverkehr festlegen
Bei SENECA ging es nicht allein um Technik. Das Projektteam trug auch dazu bei, dass Europa einen Beitrag zu internationalen Regelungen leisten konnte. „Die Daten aus dem Projekt SENECA wurden in den Arbeitsgruppen des Ausschusses für Umweltschutz in der Luftfahrt (CAEP) als Grundlage für die Festlegung der neuen Regulierungsrichtlinien verwendet“, sagt Jaron. Das Team arbeitete mit dem CAEP zusammen und stellte der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) Beiträge zu technischen Fragen bereit. Diese Erkenntnisse trugen dazu bei, wie neue Überschallflugzeuge zertifiziert werden, damit sie möglichst nachhaltig in Betrieb genommen werden können. Durch die Kombination von technischer Innovation und politischer Wirkung hat SENECA die Führungsrolle Europas bei der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für den Überschallflugverkehr gestärkt.
Schlüsselbegriffe
SENECA, Überschallflugzeuge, Emissionen, variable Düsen, Lärmminderung, Flughafenlärm, Triebwerksgestaltung, nachhaltiger Luftverkehr