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Bottom up biophysics approach to resolve the looping structure of chromosomes

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Wie molekulare Motoren den Chromosomen ihre Struktur verleihen

Das Genom ist nicht nur ein Informationsprozessor, sondern auch ein physisches Objekt, das die Forschenden dazu inspiriert, zu erkunden, wie seine Struktur seine Funktion bestimmt.

Vor etwa 150 Jahren untersuchte Walther Flemming chromosomale Veränderungen während der Zellteilung. Doch ungeachtet späterer Erkenntnisfortschritte hat die Forschung erst kürzlich jene Schlüsselelemente identifiziert, die die Organisation der Chromosomen im Zellkern bestimmen. „Chromosomen sind grundsätzlich in Form von DNS-Schleifen strukturiert, an deren Entstehung ringförmige Proteine, die sogenannten SMC-Komplexe (Structural Maintenance of Chromosomes), beteiligt sind“, erklärt Cees Dekker(öffnet in neuem Fenster), Physikprofessor an der Technischen Universität Delft(öffnet in neuem Fenster) in den Niederlanden und Hauptforscher des Projekts LoopingDNA. „Die genauen Mechanismen, wie diese Schleifen gebildet und gesteuert werden, sind jedoch rätselhaft geblieben.“ 2018 wurde in Dekkers Labor entdeckt, dass ein SMC-Komplex mit der Bezeichnung „Condensin“ als molekularer Motor(öffnet in neuem Fenster) fungiert, der die DNS in Schleifen legt und den Chromosomen ihre Struktur verleiht. Jetzt hat das Team des Projekts LoopingDNA anhand von Einzelmolekül-Assays mehr über die beteiligten Mechanismen herausgefunden und die Auswirkungen der Chromosomenstruktur auf die Biologie untersucht.

Eine neuartige Klasse von DNS-Motoren

Mit Unterstützung des Europäischen Forschungsrats(öffnet in neuem Fenster) (ERC) verfolgte das LoopingDNA-Team mithilfe von Zeitreihen-Einzelmolekül-Bildgebung den Condensin-angetriebenen DNS-Schleifenprozess. „Wir legten ein Stück DNS auf einen Objektträger, machten es sichtbar und sahen dann, wie im Verlauf der Zeit die Schleife entstand, als sich SMC-Komplexe an die DNS anlagerten“, erklärt Dekker. „In weiteren Experimenten konnten wir viele zusätzliche Merkmale beobachten, etwa die Schleifenasymmetrie und Richtungsänderungen.“ Zudem entdeckte das Team ein neues Schleifenmotiv mit der Bezeichnung z-loops(öffnet in neuem Fenster), das entsteht, wenn sich zwei schleifenextrudierende Condensin-SMC-Komplexe begegnen und einander passieren, und das Aufschluss darüber gibt, wie die DNS zu einer fest verdichteten Struktur organisiert wird. Außerdem wurde auch festgestellt, dass „Loop extrusion“, die Extrusion von Schleifen, eng mit dem „Supercoiling“ der DNS zusammenhängt, das die Verdrillung eines DNS-Strangs erhöht. „Wir entdeckten, dass SMC-Komplexe nicht nur DNS extrudieren, sondern bei jeder Extrusion eine Verdrehung hinzufügen, was darauf hindeutet, dass das DNS-Supercoiling durch das Genom reguliert wird“, fügt Dekker hinzu.

Mechanismen der DNS-Schleifenbildung

Die Projektarbeit hat weitere faszinierende Erkenntnisse hervorgebracht. Die zelluläre DNS ist mit DNS-bindenden Proteinen wie Nukleosomen oder RNA-Polymerase bedeckt, die theoretisch die Extrusion behindern könnten. Das Team war überrascht, dass dies nicht der Fall war: Die SMC-Komplexe sind anscheinend in der Lage, praktisch alle Objekte in ihre DNS-Schleife zu integrieren. Dies ist insofern von Bedeutung, als Proteine auf der DNS bis zu einigen zehn Nanometern groß sein können und der ringförmige SMC-Komplex einen Durchmesser von etwa dreißig Nanometern hat. Dekker fand heraus, dass der Ring sogar DNS-gebundene Goldpartikel mit einer Größe von 200 Nanometern aufnehmen kann, die größer als der Ring des extrudierten SMC-Komplexes selbst sind. „Wir gelangten zu dem Schluss, dass die DNS nicht, wie zuvor angenommen, topologisch innerhalb des SMC-Komplex-Rings enthalten ist“, sagt Dekker. „Wir haben nun ein Modell erarbeitet, bei dem die Bindung mit Adenosintriphosphat die Form und Größe des SMC-Komplexes verändert, was uns dem Verständnis des motorischen Mechanismus, welcher der DNS-Schleifenbildung zugrunde liegt, näherbringt.“

Einblicke in genetische Störungen

Die Forschenden stellten sich zudem die ehrgeizige Aufgabe, ein Chromosom von Grund auf neu aufzubauen. Ausgehend von einem Stück nackter DNS (einem von Proteinen befreiten Escherichia coli-Bakteriengenom) bestand das Ziel darin, Proteinkomplexe und andere DNS-verarbeitende Proteine hinzuzufügen, um Effekte DNS-organisierender Elemente zu untersuchen. Sie erreichten zwar eine Basisversion, aber die extreme Fragilität der DNS stand einer vollständig entwickelten Version über die Projektressourcen hinaus im Wege. „Wenn wir diese technischen Hürden überwinden können, dann könnte unser ‚Genom-in-a-Box‘ eines Tages als Instrumentarium für Experimente dienen, die aufzeigen, wie die Chromosomenstruktur die Genexpression reguliert, und somit Einblicke in genetische Störungen zulassen“, erklärt Dekker. Da Condensin bekanntermaßen für eine gesunde embryonale Entwicklung von entscheidender Bedeutung ist, wird mit Dekkers neuem Konsortium, das sich gegenwärtig um eine Finanzhilfe mit der Bezeichnung ERC-Synergy Grant bemüht, dieser Bereich weiter erforscht. Von besonderem Interesse ist, wie es DNS-Schleifen sogenannten „Enhancern“ ermöglichen, näher an die Promotoren von Schlüsselgenen heranzukommen und dabei deren Expression zu verstärken.

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